Unternehmer

Als Kind habe ich mit großer Begeisterung Micky Maus gelesen, weil mich zwei der Figuren faszinierten. Nicht die superschlaue Maus und schon gar nicht der trottelige Donald mit seinen drei genialen Neffen, sondern Daniel Düsentrieb und Dagobert Duck. Beide zeigten mir, wie spannend das Leben sein kann und auf die Frage meiner Oma, was ich den einmal werden wolle, sagte ich, Erfinder oder Kaufmann. Beide Berufe testete ich dann schon sehr bald aus. Mit dem Metallbaukasten und vielen Kabeln, löste ich technische Probleme und durch den Verkauf von Blumen und anderen gewerblichen Tätigkeiten, verdiente ich das dafür notwendige Geld.

Im späteren Leben erkannte ich, dass meine Berufung wohl in der Kombination dieser beiden Figuren lag. Erfindungen bringen nichts, wenn man sie nicht finanzieren und vermarkten kann. Geschäfte funktionieren nicht, wenn sie nicht von innovativen und mutigen Maßnahmen geprägt sind. Dabei ist mir aufgefallen, dass die üblichen Lehren, was zu einem erfolgreichen Unternehmertum führt, nur teilweise richtig, häufig sogar kontra produktiv sind. Hätte ich die Kenntnisse meines Vaters über den Einzelhandel gehabt, die Carnaby Shops wären niemals entstanden und mit meinem heutigen Wissen über die Luftfahrt, käme mir die Gründung einer Fluggesellschaft niemals in den Sinn.

Unternehmer sein bedeutet, eine Idee zu haben der man sich mit Leib und Seele verschreibt, bedeutet nur das Ziel im Auge zu haben und den Weg dorthin ausblenden zu können.

Alle paar Wochen präsentieren mir Leute auf der Suche nach einem Investor ihre Geschäftsmodelle. Das sind dann meist umfangreiche Power Point Präsentationen mit Grafiken, Marktanalysen und Budgetrechnungen für die nächsten 10 Jahre. Während der Vorführung, die mich eigentlich nie sonderlich fasziniert, schaue ich aber in die Gesichter meiner Gäste, denn nur darin sehe ich ob das Programm eine Chance hat.

Geld verdirbt den Charakter; eine alte Weisheit, die ich so nicht akzeptieren kann, weil ich viele wohlhabende Menschen mit einem edlen Gemüt und arme Menschen ohne jegliche Moral kennengelernt habe. Aber Geld ist die Ursache, warum viele Unternehmer scheitern! Das klingt paradox, wird aber immer wieder bestätigt. Wer sich mit der Natur beschäftigt, wird feststellen, in welch widrigem Umfeld ein Baum wachsen kann und wie hartnäckig er allem Unbill der Natur widersteht. Der Grund ist einfach, er musste mit dem Stück Boden und mit der Menge Wasser auskommen, welche am Landeplatz seines Saatkornes vorhanden waren und sich gegen alle Schädlinge und Wetterereignisse behaupten. Entsprechend schnell oder langsam war das Wachstum. Sein Kollege, der das Glück hatte in einer Baumschule seine Karriere zu beginnen, hatte alles im Überfluss. Besten Boden, ständig Wasser, Pestizide und medizinische Betreuung. Die besten Voraussetzungen – denkt man, doch kaum verpflanzt in die wahre Welt, stellt man fest, dass der Schein vom gesunden und starken Wachstum ein Trugschluss war. Ohne Wasser, ohne ständige Unterstützung wird dieser Baum nicht überleben und auch wenn er die kritische Zeit überstanden hat, seinem wild gewachsenen Kollegen, wird er nie vergleichbar sein. Not macht erfinderisch und daher schenke ich meine Aufmerksamkeit immer solchen Leuten, die alles aufgeben, um ihren Traum zu leben!

Heute bin ich froh, dass mein Vater mir nie etwas materielles geschenkt und niemals etwas vererbt hat. Aber er hat mir viel mehr gegeben, er war Vorbild! Fleißig, korrekt, gewissenhaft und immer voll großer sozialer Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Kunden. Er hat mir vorgelebt, wie spannend es ist, etwas aufzubauen. Er hat mir gezeigt, dass man dem Geld nicht nachgieren muss, weil es von ganz alleine kommt, wenn man seine Arbeit richtig macht. Oft habe ich ihn mit Blick auf „reiche“ Bekannte gefragt, warum er sich nicht dieses oder jenes Luxusgut zulegt. Seine Antwort war für mich als Kind unverständlich, heute aber verstehe ich sie: „Weil ich es mir leisten könnte – das genügt mir. Würde ich mir diese Dinge zulegen, hätte ich entweder keine Zeit, sie zu nutzen oder sie würden mir die Zeit nehmen, etwas Sinnvolleres zu tun!“.

Als Kind hatte ich mit meinem Vater große Probleme und umgekehrt. Für ihn, geboren 1913, galten Disziplin, Respekt vor dem Alter und gute schulische Leistungen als absolutes Muss. Mein Bruder erfüllte seine Erwartungen und ich war das schwarze Schaf! Wir hatten so heftige Auseinandersetzungen, dass sich Außenstehende oft fragten, wie es denn möglich sei, dass wir uns nicht gegenseitig längst umgebracht haben. Seine letzte Machtprobe war es mir nach meinem Schulabbruch (einem Jahr vor dem Abitur) nicht die Freiheit zu lassen, in Genf zu bleiben. Er verdonnerte mich zu einer Lehre. Mir blieb als Minderjähriger nichts anderes übrig, als zu gehorchen, aber pünktlich zu meinem 18. Geburtstag war ich selbstständig. Scherzhaft meinte der Abschlussprüfer der IHK, ein Jahr später: “Gratuliere, sie sind der erste selbstständige Lehrling, den ich geprüft habe!” Mein Vater kapitulierte und war auch fair genug, meine Erfolge anzuerkennen. Später sind wir dann wirklich gute Freunde geworden, seine Ratschläge hatten nicht mehr den Charakter eines Befehls und er wurde mein bester Berater. Heute glaube ich, dass es besser ist, wenn sich Eltern nicht unbedingt als die Kumpels ihrer Kinder verstehen, denn dann kommen meistens die großen Probleme im späteren Leben. Ich hatte hingegen rund 15 Jahre Stress aber dann 45 Jahre Freude mit meinem Vater und es verging kein Tag ohne dass wir miteinander telefonierten. Er wurde 97 Jahre alt und hat damit meine Mutter um 33 Jahre überlebt. Sie war ein ganz außergewöhnlicher Mensch, weil sie Mutter, Geschäftsfrau und Freundin in einer Person war.

Als Schüler hatte ich entsprechend der hohen Lehre meines Vaters viele Wünsche, aber kein Geld. Also überlegte ich, wie ich meine pubertären Leidenschaften wie Ausgehen, den Kauf eines Radioapparates usw. finanzieren könne. Zunächst organisierte ich in den Nebenzimmern von Lokalen Schülerparties. Geringer Eintritt lockte die Gäste und deren große Anzahl, deckte die Kosten bei weitem. Mein Sinn stand nach größeren, dauerhaften Domizilen und so beschwatzte ich einen Hauseigentümer, mir für wenig Geld seinen Kartoffelkeller zu vermieten. Der erste Club war geboren, der zweite folgte wenige Monate später! So ganz legal war das nicht, aber die gelegentlichen Polizeikontrollen verliefen ergebnislos, weil ich mich konstant weigerte, Alkohol auszuschenken und die übrigen Getränke zum Einkaufspreis abgab. Damit waren meine Clubs mit einem Mitgliedsbeitrag von nur DM 1,50 und einem Eintrittsgeld von nur DM 1,00 pro Abend das, was sich jeder leisten konnte und die Gäste sahen gerne darüber hinweg, dass es statt schmucker Einrichtung nur Gegenstände vom Schrottplatz und entsprechend gedämpftes Licht gab. Viel Eigenarbeit, minimale Kosten kombiniert mit ungewöhnlichen Ideen – Daniel Düsentrieb und Dagobert Duck lassen grüßen.

Etwas aber hat mich immer magisch angezogen. Die Fliegerei!

Mit 5 Jahren taufte ich ein Segelflugzeug auf den Namen „WÖHRL Baby“ und durfte als Dankeschön, in einem etwas größeren Modell, meinen ersten Flug machen. Von diesem Tag an stand fest, dass ich irgendwann einmal meinen Pilotenschein machen würde. Mit 21 war es dann so weit, ich wurde Mitglied im Nürnberger Aero Club (dem damals größten Fliegerverein in ganz Deutschland) und begann im März 1969 mit der Ausbildung. Mein Fluglehrer Paul Bleyer sagte mir später, dass ihn niemals ein anderer Schüler so wie ich genervt habe, weil ich immer dann Stunden wollte, wenn es meine Arbeit erlaubte. Also am Morgen um 7 Uhr oder am Abend nach 18 Uhr. Am Sonntag, obwohl er da nicht unterrichtete usw. usf. Üblicherweise dauert die Ausbildung in einem Verein ein bis zwei Jahre relativ lange, weil der theoretische Unterricht von Ehrenamtlichen gehalten wird. Ich hatte meinen Schein nach 4 Monaten in der Tasche und bin damit der schnellste Schüler, den der Verein je hatte. Sehr bald merkte ich, dass ein Privatpilotenschein keine Befähigung darstellt, mit der man seine Geschäftsreisen beschleunigen kann. Es ist ein Hobby, nicht mehr und nicht weniger. Wer mehr daraus machen will, muss weiter die Schulbank drücken oder wird irgendwann einmal aufhören oder schlimmstenfalls früh sterben! Ich entschied mich für die Schulbank und arbeitete mich in meiner Freizeit Stück für Stück bis zum Verkehrsflugzeugführer empor. Die Lizenz ist das eine, die Kosten des Fliegens stehen auf einem anderen Blatt und das verheißt nichts Gutes. Privat kann sich das kein Mensch leisten und eine mittlere Firma damit zu belasten ist riskant. Also gründete ich 1975 den Nürnberger Flugdienst, um aus meinem Hobby einen Beruf zu machen. Ohne Zweifel war das die größte Herausforderung die ich mir in meinem Leben als Unternehmer, aber auch als Mensch, zugemutet habe. 16 Jahre von den kleinsten Anfängen bis zum zweimaligen Verkauf prägte dieses Unternehmen wie kein anderes mein Leben. Daher findet die NFD-Story auch einen gesonderten Platz auf meiner Homepage.

Unternehmer sein bedeutet für mich nicht nur Leidenschaft und Lebensinhalt, es ist auch eine Sucht. Das gebe ich heute unumwunden zu und wer diese Sucht nicht mit mir zu teilen bereit ist, der wird mich nie verstehen. Familie, Freundschaften und geselliges Leben spielten und spielen sich daher bei mir in einer Dimension, in einem Rahmen ab, der den meisten Menschen verborgen bleibt. Du kannst doch nicht immer arbeiten, Du musst doch ein Hobby haben. “Du brauchst doch Urlaub.” Waren besorgte Kommentare meiner Mitmenschen und ich habe sie immer mit der stets gleichen Antwort vom Tisch gewischt, dass ich das doch alles habe. Jeden Tag 24 Stunden lang!

Wer glaubt, das Geld wäre mein Motivator, der irrt. Geld bedeutet mir viel, aber nicht um mir damit irgendwelche Luxusgüter zu kaufen, sondern weil es mir die Freiheit gibt, das zu tun, was ich möchte. Weil es mir die Möglichkeit gibt, auch riskantere Vorhaben anzugehen, bei denen ein Scheitern leicht möglich ist. Früher konnte ich mir das nicht erlauben und somit ist mein Leben auch als „Rentner“ noch immer spannend.