Jun 15

Schulden

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Er war ein merkwürdiger Kauz, unser Professor in Genf. Er versuchte, uns kaufmännische Grundsätze nahe zu bringen. Heute würde er wahrscheinlich mit seinen einfachen Prinzipien nirgendwo mehr einen Lehrstuhl bekommen, aber wenn ich mir heute die Praxis ansehe, dann hatte er mit vielem verdammt Recht. Insbesondere mit dem, was er uns über Schulden beizubringen versuchte.

Er war irgendwann um 1895 geboren. Also in einer Zeit, als es absolut üblich war, erst einmal Geld zu sparen, bevor man sich etwas kaufte. Das erschien uns ziemlich altmodisch, aber er blieb bei seinem Grundsatz: „Wenn Du Schulden machst, um Dir etwas zu kaufen, was Dir beim Geld verdienen hilft, dann ist das in Ordnung. Wenn Du Schulden machst, um etwas Wertbeständiges zu kaufen, dann ist das gefährlich, denn Du weißt nie, ob Du morgen noch genügend Geld hast, um Zins und Tilgung zu bezahlen. Wenn Du aber Schulden für Dinge machst, die ihren Wert verlieren und / oder sogar noch Kosten verursachen, dann gehörst Du ins Gefängnis!“

Das war starker Tobak, fanden wir, denn keiner von uns hatte sein Velo Solex (Fahrrad mit Hilfsmotor) mit gespartem Geld, sondern auf Raten, gekauft. Große Missbilligung war das, was wir von unserem Professor dafür ernteten und noch tiefer würde er die Konsumgewohnheiten der heutigen Zeit verachten. Besonders schlimm träfe es die öffentliche Hand, denn alle, die dort tätig sind (einschließlich der Politiker), müssten nach seiner Theorie ins Gefängnis.

Vor ein paar Jahren hätte noch jeder über diese Geschichte gelacht. Doch heute werden mir nicht Wenige zustimmen, dass er doch so falsch gar nicht gelegen haben kann. Ganze Länder stehen vor dem Abgrund und selbst Deutschland, was wir in großer Selbstgefälligkeit gern als den Musterknaben der Welt darstellen, wird seine Schulden NIE zurückbezahlen! Wenn wir viel Glück haben, wenn sich alles zum Guten wendet, dann werden die Schulden vielleicht eines Tages nur nicht noch größer! Das würde als „ausgeglichener Haushalt“ gefeiert werden, doch früher wäre man dafür in den Schuldturm geworfen worden.

Viele mehr oder weniger kluge Köpfe erklären uns zwar, dass man z. B. Krisen nur mit Schulden lösen kann, aber das ist schlichtweg falsch, denn die meisten Krisen sind nur die Spätfolgen von Schulden und die wenigen Ausnahmen könnte man meistern, indem man das beherzigt, was unsere Altvorderen schon sagten: „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not!“

Ob es eine Lösung gibt? Natürlich, aber die wird nie und nimmer in Erwägung gezogen. Dennoch will ich sie einmal beschreiben. Wenn man sich einmal damit abfindet, dass die Schulden eh nicht zurück bezahlt werden können, dann wäre es ein schöner Erfolg, wenn sie wenigstens nicht weiter ansteigen würden. Um das zu erreichen, habe ich ein Rezept. Jede Regierung, egal ob Stadt, Bundesland oder Bund wird am Tage des Amtsantritts der aktuelle Schuldenstand präsentiert. Dabei muss alles auf den Tisch, auch das, was an Pensionsansprüchen usw. aufgelaufen ist. Kurz vor der nächsten Wahl, wird dann der neue Schuldenstand auf gleicher Basis ermittelt. Ist er niedriger oder gleich hoch, ist alles in Ordnung. Ist er aber höher, dann darf diese Partei, oder dieser Politiker, bei der anstehenden Wahl nicht antreten. Er setzt also eine Runde aus! Dazu wird es nicht kommen und daher glaube ich, dass dies der einzige Weg wäre, unsere öffentlichen Haushalte in den Griff zu bekommen.

Das wird so bestimmt nicht kommen, aber etwas Ähnliches sei uns allen ins Stammbuch geschrieben: Geliehenes Geld macht immer leichtsinnig, denn es ist ohne eigenes Zutun auf dem Konto gelandet und nichts gibt man leichter aus, als das Geld anderer Leute! Daher ist der Rat: „Spare erst und kaufe dann!“ gar nicht so altmodisch!

Ihr

Hans Rudolf Wöhrl

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