Pilot

Wenn bei einem Menschen, der Traum vom Fliegen und berufsbedingtes Reisen zusammenkommen, dann finden sich schnell Gründe für den Kauf eines eigenen Flugzeuges. Spätestens jedoch dann, wenn diese beiden Eigenschaften auch auf fränkische Sparsamkeit und Kostenbewusstsein treffen, bleibt es beim gewohnten Griff zum Lufthansa-Flugplan oder zur Fahrplanauskunft bei der Deutschen Bundesbahn; bei den meisten Menschen!

Ich wollte meinen Traum vom Fliegen nicht nur verwirklichen, sondern beweisen, dass sich dies auch wirtschaftlich darstellen lässt. Verwöhnt war ich nicht, denn seit 1969 flog ich ausschließlich kleine einmotorige Flugzeuge des örtlichen Aero Clubs (meinem alten Fluglehrer Paul Bleyer verdanke ich sehr viel) und als ich mir dann 1974 eine winzige zweimotorige Piper Seneca für DM 170.000,00 kaufte, war dies schon ein „richtiges“ Flugzeug!

Bei Treibstoffkosten von DM 0,36, Landegebühren von DM 10,00 und der damals noch herrschenden Freiheit, überall hin und ohne Gebühren fliegen zu können, gepaart mit dem Versprechen des Flugzeugverkäufers, wie günstig diese Maschine in der Wartung sei, war mir klar:

Fliegen ist billiger als Autofahren!

Die erste 100-Stunden-Kontrolle brachte mich dann allerdings bruchlandemäßig schnell auf den Boden der Tatsachen zurück!

DM 30.000,00 waren überraschenderweise fällig und damit gab es nur noch drei Möglichkeiten: Entweder das Ganze aufgeben, als teueres Hobby weiterzubetreiben oder den Verdruss mit anderen zu teilen und ein Luftfahrtunternehmen zu gründen.

Es war ein ehemaliger Lufthansa-Pilot (damals für mich noch „Halbgötter in Blau“), der mir erklärte, dass die Gründung eines Luftfahrtunternehmens ein Pappenstiel und die wirtschaftlichen Aussichten großartig seien!

Die zweite Lektion folgte, denn die Lizensierung machte mir deutlich, wie wichtig Papier in der Luftfahrt ist und die vielversprochenen Kunden (Großfirmen der Region) erklärten unmissverständlich, dass man in einer solchen „Nuckelpinne“ das Top-Management nicht auf die Reise schicken wolle.

Da halfen alle Hinweise auf die Lizensierung durch den bayerischen Freistaat unter der Nummer BY-007 herzlich wenig. Druckkabine und „Cabin-Class“, das war der Mindeststandard, sonst gibt es keinen Vertrag.

In der Zwischenzeit war meine Blauäugigkeit schon nicht mehr ganz so groß und von Fliegerkameraden, die mir Flugzeuge zu tollen Konditionen verkaufen wollten, hatte ich auch die Nase voll!

Mein Lufthansa-Pilot hatte mich auch schon mit einem Haufen unbezahlter Rechnungen zurückgelassen und so beschloss ich, dieses Geschäft so zu betreiben, wie es sich eigentlich gehört – methodisch, mit Fleiß und Gewissenhaftigkeit!

Von fremden Ratschlägen wollte ich nicht abhängig sein, sondern meine eigenen Erfahrungen und mein Wissen sollten die Entscheidungen bestimmen. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn schon Geld vernichten, dann selbst!

Der wirtschaftliche Aufschwung kam mit der Inbetriebnahme einer brandneuen Cessna 414, der eine Reihe von Maschinen des gleichen Typs folgten. Es ging rapide aufwärts und von Anfang an schrieben wir, trotz hoher Investitionen und der damit verbundenen Abschreibung, schwarze Zahlen!

Doch so schnell der Aufstieg war, so jäh folgte die Ernüchterung!

1977 – ein schwarzes Jahr – ging bei einem Werkstattflug ein Flugzeug zu Bruch (Totalverlust, jedoch glücklicherweise ohne Personenschaden).

Nur 7 Wochen später, bei einem niemals restlos aufgeklärten Absturz, verloren wir eine zweite Maschine – 6 Tote!

Ich meine, gerade bei einem Jubiläum sollte man solche schlimmen Erfahrungen nicht aussparen, denn sie lieferten einige der Hintergründe dafür, dass aus dem NFD und später aus EUROWINGS etwas ganz Besonderes wurde: Eine Fluggesellschaft mit höchstem Sicherheitsbewusstsein!

Ich war ernüchtert am Boden zerstört, der Pilot war ein guter Freund und unser Flugbetriebsleiter, und wollte dieses Geschäft aufgeben. Es war mein erst im Januar 1977 eingetretener Partner und Freund, Manfred Möschel, der mich bat, das Unternehmen auf Sparflamme, d. h. unter Ancharterung von Flugzeugen befreundeter Unternehmen, weiterführen zu dürfen. Er war es, der mir geholfen hat, diese schweren Monate zu durchstehen und einen Neuanfang zu schaffen.

Dieser Neuanfang war dann auch wirklich radikal!

Aufgrund der mehrjährigen Erfahrung begannen wir, die Gesellschaft auf einem weißen Stück Papier zu konzipieren. Nur noch neue Flugzeuge sollten eingeführt werden, bei denen die volle Unterstützung von Händlern und Herstellern zur Verfügung stand. Die Möglichkeit zur konsequenten Pilotenaus- und fortbildung auf Simulatoren waren zwingende Voraussetzung bei der Wahl des neuen Flugzeuges und last but not least – es sollten nur noch turbinengetriebene Maschinen zum Einsatz kommen.

Schließlich nahm ich mich selbst in die Verpflichtung und übernahm die Aufgabe des Flugbetriebsleiters.

Endlich, der Sommer 1979 begann mit einer brandneuen King Air 200 – die Renaissance des NFD. Es folgten die zweite King Air und ein halbes Jahr später auch der erste Kleinjet. Bald gab es nahezu keinen Bereich der allgemeinen Luftfahrt mehr, in dem wir nicht tätig waren.

Neben dem Lufttaxigeschäft gab es Ambulanz-, Kalibrierungs-, Fracht- und Zieldarstellungsflüge; die Auftragsbücher waren voll!

Doch die eigentliche Wende brachte ein kalter Winterabend, als sich Manfred Möschel und ich nach einem langen Arbeitstag zusammensetzten und uns etwas frustriert über die Unkalkulierbarkeiten des Chartergeschäftes unterhielten. Das wohlige Ambiente des Lokals und die diversen Biere ließen dann den verrückten Gedanken aufkommen: „Wir fliegen Linie!“

Hätten wir ein bisschen mehr von dem gewusst, was wir heute wissen, es wäre nie dazu gekommen!

Doch so gingen wir frisch und frei ans Werk. Eine mit 8 Passagiersitzen ausgerüstete King Air sollte regelmäßig im Liniendienst fliegen. Wohin – war schnell beantwortet. Wir suchten aus unseren Statistiken die Zielorte aus, zu denen wir auch die Top-Manager flogen. Getreu dem Motto, wo es die Manager mit Privatflugzeugen hinverschlägt, dort muss auch das „Fußvolk“ hin. Die Statistik war einfach und richtig: Alle Strecken, die auf einem Stück Papier mit Strichlisten ausgezählt wurden, gehören heute noch zum EUROWINGS-Programm ex Nürnberg.

Von Verkehrsrechten, Abfertigungen und all diesen Dingen hatten wir herzlich wenig Ahnung und gerade deswegen gingen wir so vergnügt daran, sie gänzlich neu zu regeln.

Im Frühjahr 1980 war es dann soweit! Natürlich waren wir keine Liniengesellschaft, sondern wir durften nur „Bedarfsluftverkehr zu festen Abflugzeiten“ zwischen Nürnberg und Paris Le Bourget zu dem strengen „IATA-Einheitstarif“, der zumindest die Kalkulation und den Vertrieb vereinfachte, ausführen. Der Kapitän checkte die Passagiere ein, der Copilot versorgte die Maschine und mit ein paar Passagieren ging es täglich 2 x hin und her.

Lange wäre das nicht gutgegangen, hätten wir nicht Joelle Mazevet kennengelernt, die bei Trans Air Region verzweifelt versuchte, das eine oder andere Ticket für uns zu verkaufen. Sie, die Erfahrung bei großen Fluggesellschaften hatte, war verrückt genug, in unser Team zu kommen und uns das, wovon wir noch keine Ahnung hatten, beizubringen. Das war nicht immer leicht für sie, denn „anders sein“ gefiel uns noch immer viel zu gut!

Und dann tauchte Moritz Suter auf. Frech, wie es nur Schweizer sein können, flog er mit seiner neu gegründeten CROSSAIR und einem Metroliner II zwischen Zürich und Nürnberg hin und her. Ich bewunderte ihn und seinen Mut, ein „so großes Flugzeug“ auf einer solch unbedeutenden Strecke einzusetzen, und deswegen wollte ich ihn kennenlernen.

Er antwortete sofort auf meinen Brief, lud mich nach Zürich ein (mein erstes Freiticket) und dieses erste Gespräch, dem eine lange, herzliche Freundschaft heute noch folgt, war auch gleichzeitig die Geburtsstunde eines eigenen Verbandes: Die ERA (European Regional Airlines Association).

Vier tollkühne Pioniere des Europäischen Regionalluftverkehrs taten sich zusammen: CROSSAIR, TYROLEAN AIRWAYS, ÖSEL AIR sowie der NFD.

Was Moritz konnte, das konnten auch wir und so dauerte es nicht lange, bis wir die Entscheidung trafen, auch einen Metroliner II zu kaufen und fortan nach Paris CDG zu fliegen.

1981 war dann unser erstes wirkliches Linienflugzeug da und es wurde Geschichte geschrieben. Wir waren es nämlich, die den letzten Linienflug zu dem altehrenwürdigen Flughafen Le Bourget ausführten. Ab der neuen Saison 1981 ging es dann nach Charles de Gaulle.

Mit dem zweiten Metroliner wurden neue Strecken nach Hannover (nachdem die DLT diese Strecke nach einem Unfall nicht mehr weiterfliegen wollte), Saarbrücken, Mailand usw. aufgenommen. Bei der Lösung unserer Wartungsaufgabe half uns kaum einer mehr als Jo Blumschein, Pilot, Flugzeughändler, Geschäftsführer der NAYAK und BAT-Air und – vor allen Dingen – ein Fliegerkamerad!!!

Am Heiligen Abend 1982 unterzeichneten wir mit ihm unsere bis dahin größte Bestellung: 3 Metroliner III auf einen Schlag! Die Freude war groß, doch sie währte nicht lange. 14 Tage später starb Jo Blumschein bei einer Operation im Krankenhaus. Seine Firmen, die für uns enorm wichtig waren, wollten seine Partner (Battenfeld) nicht weiterführen und so konnten wir, obwohl die Kassen leer waren, diese beiden Unternehmen kaufen.

So kam ein relativ kleines Luftfahrtunternehmen plötzlich zu einem hochmodernen und leistungsfähigen Wartungsbetrieb, der jedes Wachstum locker verkraften konnte.

Ach ja, die Wartung. Notwendig, teuer und schwierig zu führen. Doch zwei Leute haben dieses Thema bei uns in den Griff bekommen: Hermann Zwosta (ihm vertraute jeder Pilot) und Karlheinz Krüger, als technischer Betriebsleiter.

Unsere Banken, vor allen Dingen aber die beiden Nürnberger Flughafendirektoren (Herr Müller-Guttermann und Herr Dr. Hofmann) argwöhnten diesem schnellen Wachstum. Doch um Erklärungen und Ausreden, weshalb das alles so sein muss, waren wir nie verlegen und – das sei zur Ehrenrettung gesagt – man war uns oft böse, aber man half uns immer! Insbesondere Herr Korn von der Hypo Bank und Herr Mayer von der Bayerischen Vereinsbank waren über Jahre die echten NFD-Gläubiger.

Doch nicht nur die Flughafen GmbH Nürnberg griff ihrer „Nationalen Airline“ unter die Arme. Auch das Bayerische Staatsministerium, allen voran Herr Ministerialdirigent Grabherr, hatte ein offenes Ohr für unsere Belange und das Ganze wurde wohlwollend vom Bayerischen Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Franz Josef Strauß, begleitet, der auch öfters eines unserer kleineren Flugzeuge charterte und als Co-Pilot steuerte.

Last but not least gewannen wir im Jahre 1985 auch die Ausschreibung für die hochsubventionierte Oberfranken-Strecke (Hof-Bayreuth-Frankfurt) gegen die DLT und setzten dabei auch noch ein original bayerisches Flugzeug, die Do228, ein.

Die DLT war, so wie ihre Muttergesellschaft Lufthansa, immer eine Mischung aus Freund und Feind für uns.

Mitbewerber auf der einen Seite, Charterpartner auf vielen wichtigen Strecken auf der anderen Seite. Peter Orlovius, der damalige Geschäftsführer, hatte gemeinsam mit mir die Vision eines starken Verbandes der deutschen Regionalfluggesellschaften entwickelt. Gescheitert ist dies am Widerstand von Lufthansa – wie so vieles Andere auch!

Doch es gab auch bei Lufthansa eine Reihe von Sympathisanten, die uns und damit ihrer eigenen Firma gute Dienste erwiesen. Herr Wendlik, Herr Dr. Muscati und auch Herr Ruhnau seien nur stellvertretend für viele andere faire Partner erwähnt.

Eines blieb jedoch immer zwischen uns. Eine harte Ablehnung wenn es darum ging, dass wir uns in das, bis dahin so wunderbar funktionierende, bilaterale Luftverkehrsgeschehen einmischten.

1985 kam es dann zum Eklat. In Frankreich war man wenige Tage vor dem Flugplanwechsel plötzlich nicht mehr bereit, den „regionalen Luftverkehr zu festen Abflugzeiten“ im Rahmen der bilateralen Abkommen zu akzeptieren. Entweder, so lautete die Forderung aus Frankreich, wird der NFD in die bilateralen Abkommen miteinbezogen, d. h. als Liniengesellschaft designiert oder die Flüge nach Paris sind einzustellen.

Da war, wie man so schön sagt, Feuer unterm Dach. Dass neben der Lufthansa eine zweite Liniengesellschaft für den internationalen Flugverkehr designiert werden würde, das schien unvorstellbar. Nach langen Verhandlungen zwischen dem Bundesverkehrsministerium, dem Freistaat Bayern, der Lufthansa und uns war eine Einigung nicht in Sicht. Der damalige Verkehrsminister, Herr Dr. Dollinger berief daher die Parteien zu einem abschließenden Hearing nach Bonn. Es dauerte Stunden, die Fronten ließen sich nicht aufbrechen.

Die letzte Frage von Herrn Dr. Dollinger an alle Beteiligten, ob es irgendeine Chance zur Einigung gäbe, wurde mit „Nein“ beantwortet. Es folgte eine Pause und dann seine denkwürdigen Worte: „Wenn die Situation so ist, dann habe ich keine andere Möglichkeit, als den NFD zur zweiten deutschen Liniengesellschft zu designieren.“ – Sprach’s, unterschrieb und fortan waren wir hoffähig.

Die schreckensbleichen Gesichter der Lufthansa-Repräsentanten sind mir heute noch vor Augen. Doch die mutige Entscheidung von Herrn Dr. Dollinger und überhaupt seine liberale Haltung in Sachen Luftverkehr hat mehr für die europäische Einheit und das Zusammenwachsen der Völker bewirkt, als so manche andere „Großtat“.

Mit der Designierung zur Linienfluggesellschaft standen uns damals in dem noch immer streng regulierten europäischen Markt natürlich Tür und Tor offen und es konnte endlich eine Entscheidung über die nächste Flugzeuggeneration herbeigeführt werden.

Die inzwischen auf 9 Metroliner gewachsene Flotte flog zwar ein beachtliches Programm, gleichwohl aber war abzusehen, wann dies wirtschaftlich nicht mehr möglich ist, denn die Kapazitäten auf dem europäischen Markt wuchsen, die Preise verfielen und die strengen Regularien der IATA gehörten mehr und mehr der Vergangenheit an!

Wer überleben wollte, brauchte größere Flugzeuge.

Im Jahr 1985 begann die Zusammenarbeit mit der RFG, mit Reinhard Santner und Ulrich Sigmann!

Ebenso wie wir unsere Aktivitäten in Nürnberg und Hannover ausbauten, tat dies die RFG in Dortmund und Paderborn.

Und ebenso wie bei uns stand die Entscheidung zum Erwerb eines neuen Flugzeuges anstelle des Metroliners an.

Wir beschlossen einen, wohl einmaligen und dennoch niemals schriftlich fixierten Pakt: Beide Gesellschaften verpflichteten sich, den gleichen Flugzeugtyp auszuwählen und als Käufer gemeinsam aufzutreten. Mit vier Flugzeugen und vier Optionen erhofften wir ganz einfach bessere Konditionen, als wenn wir uns, unabhängig voneinander entschieden hätten. Was folgte, war eine tolle Verhandlungsrunde und zwar nicht nur hinsichtlich des Ergebnisses, sondern auch dafür, wie man sich die Bälle gegenseitig zu werfen und damit das optimale Ergebnis erreichen konnte.

Der NFD favorisierte die 36-sitzige Dash 8, die RFG hingegen war mehr auf die 30-sitzige Saab 340 fokusiert. Wäre nicht die ERA und deren Jahreshauptversammlung in Morlaix gewesen, wo der Prototyp der ATR 42 vorgestellt wurde – wir hätten dieses Flugzeug nie in Erwägung gezogen. Doch die Aktivitäten der ATR-Leute waren überwältigend. Sie nahmen uns richtig ernst, gingen auf unsere Wünsche und Vorstellungen ein und schließlich war es Henry Puel und Pierre Freixes, die uns überzeugten.

Eine richtige Entscheidung, wie die nächsten Jahre bestätigten, denn:

AEROSPATIALE (ATR) hat uns nicht nur Flugzeuge verkauft, sondern war über viele Jahre hinweg stets ein äußerst fairer Partner. Ob Jacques de Maison, André Pédurant und viele andere halfen ihrem NFD und ihrer RFG dazu, dass wir immer „flügge“ blieben.

Von der ersten Stunde an zeichneten sich die Flugzeuge durch hohe Passagierakzeptanz und extreme Zuverlässigkeit aus.

Doch 1987 stand uns und unserem Partner ATR eine harte Bewährungsprobe bevor. Bei einem tragischen Unfall stürzte eine Maschine der ALITALIA – angeblich wegen technisch bedingter Vereisungsprobleme – ab. Plötzlich war der regionale Luftverkehr wieder in die Schlagzeilen geraten und eine massive Stimmungsmache begann. Wir ließen uns nicht davon abschrecken und unterzeichneten trotzdem – ja geradezu demonstrativ – die Bestellung nicht nur weiterer ATR 42, sondern auch die Bestellung für das größere Modell, die ATR 72!

Und wie so oft hat sich gezeigt, dass es Früchte trägt, wenn man zu seinen Partnern in guten und in schlechten Zeiten steht.

ATR auf stark – und METROLINER auf schwächer frequentierten und neuen Strecken – es ging mit den Passagierzahlen, aber auch mit den wirtschaftlichen Ergebnissen weiter bergauf.

Bis zum 8. Februar 1988!

Es war kein schönes Wetter und dies war vielleicht auch der Grund, weshalb so viele Passagiere das Auto lieber zu Hause gelassen und sich zum relativ kurzen Flug von Hannover nach Düsseldorf entschieden hatten.

Im Anflug auf Düsseldorf stürzte der vollbesetzte Metroliner ab.

Die Zeitungen waren voll von Spekulationen über das Flugzeug, die Besatzung, den Regionalluftverkehr und vieles mehr. Monate später – der Vorfall interessierte eigentlich niemand mehr – brachte dann die gewissenhaft und sorgfältig geführte Untersuchung des Luftfahrtbundesamtes die Wahrheit an den Tag:

Es war einer der wenigen Unfälle, bei denen höhere Gewalt als Ursache herausgefunden wurde. Es hätte jedes andere Flugzeug und jede andere Gesellschaft auch sein können. Eine bittere Erkenntnis für uns, die wir mehr als 10 Jahre lang nicht nur unfallfrei geflogen waren, sondern hart für einen extrem hohen Sicherheitsstandard gearbeitet hatten.

Untersuchungsergebnisse können zwar Fakten feststellen, sie können aber den Menschen keine Angst nehmen!

Der Metroliner war in Verruf geraten und so wichtig dieses kleine Flugzeug für den Aufbau neuer Strecken gewesen wäre, es fand keine Akzeptanz mehr.

Die Flotte musste umgestellt, die Metroliner verkauft werden!

Doch das erforderte schnelle Eigenmittel, als wir sie aus dem laufenden Betrieb zur Verfügung stellen konnten. So beschlossen wir, unsere Individualität aufzugeben und das Unternehmen in eine börsennotierte Aktiengesellschaft umzuwandeln.

Die NFD Luftverkehrs AG entstand. Doch der Börsengang wurde nicht erforderlich – zwei hochsolide Firmen wollten unsere Partner werden. Mit 49% die AIR EUROPE, der Shooting-Star am europäischen Himmel und mit 26,1% die KARSTADT AG, die in einer um den Großcharterbereich erweiterten NFD eine tolle Ergänzung zu ihrer NUR sah.

Es folgten Zeiten, die die NFD-Mannschaft bis dahin nicht gekannt hatte. Neue, großartige Ziele wurden definiert, die Beträge im entsprechenden Rahmen zur Verfügung gestellt und Träume in kürzester Zeit Wirklichkeit.

Bereits im Sommer 1990 flogen Touristen mit 2 Boeing 757 in den sonnigen Süden. Doch auch der Regionalverkehr kam nicht zu kurz. 7 neue ATRs wurden bestellt, Programme geschmiedet und alles wäre wunderschön geworden, hätte nicht der Golfkrieg den Luftverkehr paralysiert. Das traf unseren Hauptgesellschafter AIR EUROPE, als britische Gesellschaft ins Mark und noch kurz bevor der Golfkrieg zu Ende ging, war es auch mit AIR EUROPE vorbei,

Wie in allen schweren Zeiten stand die NFD-Mannschft dann aber wieder geschlossen zusammen. Es gelang mir, vom Konkursverwalter der AIR EUROPE die 49 %-Anteile in einem Kraft- und Finanzierungsakt zurückzukaufen.

DM 18 Mio. waren in 18 Monaten für die Entwicklung neuer Programme verbraucht worden und Anzahlungen für 7 Flugzeuge wären auch noch verloren gewesen, wenn wir aufgehört hätten.

Doch das Unvorstellbare ist uns gelungen. Nach langen und zähen Verhandlungen schlossen sich die finanzierenden Banken in einem Pool zusammen, gaben erhebliche Mittel frei und wurden nicht enttäuscht.

Zwar mussten wir schweren Herzens die Boeing-757-Operation aufgeben (die der AIR EUROPE gehörenden Maschinen standen uns nicht mehr zur Verfügung), aber nach nur 9 Monaten war es geschafft – operativ flog der NFD wieder in den schwarzen Zahlen.

Ich bin auf wenige Dinge so stolz wie auf die Tatsache, dass nie jemand in der Zusammenarbeit mit mir und dem NFD auch nur eine einzige Mark verloren hat.

Doch zurück in die Zeit vor AIR EUROPE. Bereits 1989 hatte ich beschlossen, die führende Rolle beim NFD aufzugeben und mich nur noch als Aufsichtsrat zu verdingen. Mein eigentliches Geschäft, die Einzelhandelsgruppe WÖHRL, war mittlerweile stark gewachsen, so dass ich diese Doppelbelastung auf Dauer nicht ruhigen Gewissens hätte tragen können. So waren die 9 Monate Sanierung ein letztes großes, vorübergehendes Comeback als Chef einer Fluggesellschaft und der Zufall führte mich wieder mit meinen alten Partnern, der RFG zusammen.

KARSTADT war an einer regionalen Fluggesellschaft nicht mehr interessiert und Herr Dr. Knauf, als Hauptgesellschafter der RFG war bereit, diese Beteiligung (sie war mittlerweile auf über 30 % gewachsen) zu übernehmen. Wir haben uns lange unterhalten, um nach gemeinsamen Konzepten und Strategien zu suchen. Doch damals war die Zeit für eine wirklich menschliche Zusammenarbeit an der Führungsspitze eines großen, gemeinsamen Luftfahrtunternehmens noch nicht reif.

Da Herr Dr. Knauf den Entschluss gefaßt hatte, im Luftverkehr stärker aktiv zu werden und ich ja schon Jahre vorher das Gegenteil vollzogen hatte, einigten wir uns darauf, dass er meine Anteile und die meiner Partner übernimmt und hinsichtlich des Zusammenschlusses und der weiteren Zukunft von NFD und RFG die alleinige Verantwortung trägt.

Als dann im Januar 1992 die Transaktion vollzogen war, die Telefon- und Computerleitungen von meinem Büro zum Fluhafen der Vergangenheit angehörten und die Anrufe, ob ich denn schnell einen Flug machen könne, weil der Pilot krank geworden sei, ausblieben, folgte eine Zeit, die sicherlich jeder beruflich engagierte Mensch erlebt, wenn er sich plötzlich im Ruhestand befindet.

Doch die Schocktherapie war in jeder Hinsicht gut! Für das Unternehmen und seinen neuen Vorstand, weil es nur noch eine klare Richtung gab, für mich persönlich, weil es ein Ende mit Schrecken und nicht ein Schrecken ohne Ende war!

Die Zeit macht uns klüger, versöhnlicher und toleranter. Heute fliege ich hin und wieder die Maschinen von EUROWINGS. Ich habe mich daran gewöhnt, dass uns die Controller nicht mehr liebevoll „Flamingo“ rufen und ich stelle mit Freude fest, dass es auch ohne mich und ohne mein direktes Zutun nicht nur funktioniert, sondern dass es auch gut um das Unternehmen bestellt ist.

Ich habe ein Kind mit viel Mühen und Entbehrungen großgezogen und es dann verheiratet. Früher war es so, dass Ehepaare den Namen des Mannes angenommen haben, doch heute laufen die Dinge anders, weder ein Doppelname, noch der Name des Partners steht auf den Flugzeugen – man hat sich einen neuen, internationaleren Namen ausgedacht und mittlerweile gefällt mir EUROWINGS. Vor allem deswegen, weil heute schon wieder große Jets zu der Flotte gehören.

Doch offengestanden, als Pilot vermisse ich den Rufnamen „Flamingo“ noch immer. Warum man diesen unschuldigen Vogel verjagt hat, das werde ich wohl nie so ganz begreifen. Doch vielleicht ist das 25-jährige Jubiläum für ein Comeback vorgesehen.