Jun 6

Unter Wert…

Tags:

verkauft sich Nürnberg, das wurde mir so richtig bewusst, als ich mir in den letzten Monaten ein wenig Zeit nahm, um die Stadt zu erkunden! Da ich geschäftlich sehr viel im In- und Ausland unterwegs bin, zog ich dabei zwischen großen Metropolen, Hot Spots (so heißen kleine Orte, die dennoch in der Publikumsgunst ganz oben stehen) und meiner Heimatstadt diverse Vergleiche an.

Nirgendwo fand ich dabei ein so ausgewogenes Verhältnis zwischen den Vorteilen einer Großstadt und hoher Lebensqualität. Nirgendwo ein so gutes Preis- / Leistungsverhältnis, wie in der Noris, wenn man einmal Berlin wegen seiner Sonderstellung außen vor lässt.

Trotzdem nimmt man Nürnberg in der Welt kaum wahr und der Name löst bei Ausländern nicht unbedingt den Wunsch aus: „Da muss ich einmal hin!“ Wen wundert es da, dass sich selbst an schönen Sommertagen nur eine überschaubare Touristenschar am Burgviertel einfindet, dass Kneipen leer stehen oder über schlechte Geschäfte geklagt wird?

Umgekehrt steppt der Bär auf der Lorenzer Seite. Die Straßen sind voll von Menschen, jeder Stuhl, den ein Restaurantbesitzer vor die Türe stellt, ist besetzt, Ladenflächen werden knapp und teuer, und wenn dann noch Großereignisse wie RIP, die blaue Nacht, das Norisring Rennen oder das Bardentreffen stattfinden, dann wird es manchem Einheimischen schon fast zu eng!

Ein Widerspruch, so scheint es. Doch das ist nicht der Fall. Nürnberg ist ein Publikumsmagnet, wenn es um Veranstaltungen und Shopping geht, aber Nürnberg hat trotz seines wunderschönen Ambientes keinen weltweiten Bekanntheitsgrad. Dabei gäbe es genügend Highlights, wie die längste Wehranlage einer Großstadt, die Burg, das Reichsparteitagsgelände und viele andere Pfründe mit denen man wuchern könnte. Doch nein, Reisende machen keinen Abstecher, wenn sie an der Stadt vorbeifahren, sondern geben Gas. Nürnberg gilt, es tut mir leid, das wiederholen zu müssen, als ein wenig provinziell.

Kritik zu üben, ist das Eine, bessere Ideen zu haben, das Andere und so habe ich mir Gedanken gemacht, was bei uns falsch läuft! Ein kleines Beispiel ist mir bei meinem Spaziergang über die Burg in den Sinn gekommen. Der Freistaat nimmt viel Geld für die Burg in die Hand! Dabei ist man besonders stolz darauf, eine der modernsten Jugendherbergen demnächst in Betrieb nehmen zu können. Das erscheint auf den ersten Blick richtig, ist aber objektiv betrachtet, genau das Falsche! Jugendherbergen sind etwas für Familien mit kleinen Kindern und Schulklassen, nicht aber für die moderne Jugend der Welt. Diese haben längst Hostels für sich entdeckt, wenn sie preiswert übernachten und dabei Leute kennen lernen wollen. Wer mehr Individualität sucht, der mietet sich in einem preiswerten Ibis oder Motel One ein, wo er ein vollwertiges Hotelangebot findet.

Die Jugendherberge auf der Burg wäre daher besser durch das coolste Hostel ersetzt worden. Die Burg selbst hätte in diesem Zusammenhang nicht nur Historie widerspiegeln, sondern mit geselligem Leben erfüllt werden können. Auf einem stadtnahen Grundstück, hätte dann die größte Jugendherberge der Welt entstehen können und in der Summe wäre wohl die dreifache Anzahl von Gästen untergekommen, jeder hätte genau das gefunden, was er sucht und mehr Geld hätte es auch nicht gekostet. Über solche Einrichtungen würden die Medien der Welt berichten und den Wunsch wecken, dort einmal zu übernachten.

Das Reichsparteitagsgelände oder das Justizgebäude sind nicht gerade Zeugen einer ruhmreichen Vergangenheit, aber wir haben sie nun einmal und diese wecken mehr Neugierde in der Welt, als der tiefe Brunnen, selbst wenn wir ihn mit modernster Technik ausstatten. Daher muss auch dies ganz gezielt vermarktet werden und wenn das geschickt als Aufarbeitung gestaltet wird, braucht auch niemand zu fürchten, dass wir damit wieder zur „Nazistadt“ werden.

Mancher Leser wird jetzt sagen, dass wir das doch alles gar nicht brauchen, sondern uns lieber darum kümmern sollten, dass es genügend Arbeitsplätze und / oder soziale Einrichtungen gibt. Doch genau da liegt der Hund begraben. Wir brauchen neue Firmen in der Stadt und Fachkräfte, denn um diese buhlt die ganze Welt. Standortentscheidungen werden nicht nur nach Fakten, sondern auch emotional getroffen und Städte mit einem tollen Ruf machen dabei das Rennen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass alle internationalen Firmen ihre Deutschlandzentralen am liebsten in München aufbauen möchten, obwohl doch bekanntlich das Beste an München, die Autobahn und der ICE nach Nürnberg sind. Ja, wir verkaufen uns unter Wert, aber vielleicht wird Bescheidenheit einmal zu einer Attraktion, dann wird Nürnberg die Nr. 1 in der Welt!

Ihr
Hans Rudolf Wöhrl

Schreiben Sie den ersten Kommentar!

Kommentar schreiben

Felder zurücksetzten