Mai 10

Rabatte

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Beim Hören oder Lesen von Daten, weiß ich oft nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das fängt schon bei den Zahlen an die, obwohl offensichtlich verdreht oder in falschem Zusammenhang dargestellt, hingenommen und manchmal sogar auch noch von anderen Medien übernommen werden. Da verdient mal eine Firma schnell Millionen, obwohl nur der Umsatz beziffert wurde. Eine Milliarde wird mal so ganz nebenbei für zehn oder hundert Millionen verwendet und Wenige erkennen die Unmöglichkeit der Aussage, dass man irgendwo 200 % gespart hat!

So wundert es mich auch schon lange nicht mehr, dass niemand hinterfragt, ob Preisnachlässe von 70 % und mehr überhaupt realistisch sind und wenn ja, wer denn eigentlich jemals den vollen Preis bezahlt?

Mit 17 Jahren absolvierte ich in einer Berliner Knabenkleiderfabrik ein Praktikum. Da hörte ich meinen Chef zu einem Kunden, der sich nach einem Rabatt erkundigte, sagen: „Rabatt mein Freund, das lass Dir sagen, wird immer vorher aufgeschlagen!“ Diesen Spruch habe ich mir so verinnerlicht, dass ich bei Sonderangeboten besonders kritisch bin und Geschäftspartner, die ohne Zögern einen Angebotspreis erheblich nachbessern, besonders in die Mangel nehme, um festzustellen, was wirklich drin ist!

Keine Frage, jeder Geschäftsmann muss am Preis etwas nachlassen, wenn das Produkt sonst nicht zu verkaufen wäre. Wintermäntel im Sommer, ein auslaufendes Automodell oder ein Röhrenfernseher finden ohne massive Rabatte keinen Käufer mehr. Dazu ein kleines Rechenbeispiel: Wenn von einem Posten 90 % zum normalen Preis verkauft werden können und die verbleibenden 10 % nur mit einem Rabatt von 20 % zu verkaufen sind, dann muss dieser Rabatt von Anfang an aufgeschlagen werden, was zu einem etwa 2 % höheren Grundpreis führt. So war das früher, als es während des ganzen Jahres feste Preise, und nur während der zwei Mal zwei Wochen Schlussverkauf, Nachlässe gab.

Damals waren Preise und Rabatte noch ehrlich und man konnte sich darauf verlassen. Heute aber gibt es von vielen Anbietern Dauerrabatte von 50 % und das heißt nichts anderes, als dass dieser Rabatt auf einen Preis gewährt wurde, den niemand jemals bezahlt hat und den das Produkt auch nicht wert ist. Mondpreise heißt das im Fachjargon, früher verboten, heute die Regel!

Ähnliches gilt für Schnäppchenpreise beim Fliegen. Wer viele supergünstige Flugtickets verkauft, der muss ebenso viele super teuren an andere Passagiere loswerden. Irgendwer bezahlt die Rechnung und um selbst nicht das Opfer zu werden, wird stundenlang im Internet gesurft, um schließlich beim billigsten Anbieter zu kaufen.

Wie irreführend und unehrlich die Werbung mit Rabatten sein muss, zeigt ein Blick in die Bilanzen von Handelsunternehmen. Ein Überschuss nach Steuern zwischen 1 % und 3 % ist die Regel und das ist der Grund, warum ich lieber dort kaufe, wo man auf unbegründete Rabatte verzichtet und auch dann keinen Nachlass gewährt, wenn man droht, überhaupt nichts zu kaufen. Nach diesem Prinzip habe ich bis 2002 die Firma WÖHRL geführt und dort wo ich Einfluss nehmen kann, handhabe ich das heute noch genauso. Bisher hat mir der Erfolg Recht gegeben, denn es gibt genügend Menschen, die rechnen und denken können!

Trotz aller Rabatte klagen viele über zu hohe Preise und schlechten Service. Doch das ist die natürliche Folge von „Geiz ist Geil!“ Wenn jeder nur dort kauft, wo es am billigsten ist und nichts für ehrliche Beratung und guten Service bezahlen will – was sind die Folgen?

Die ganz Cleveren lassen sich im Fachgeschäft beraten, um dann über das Internet nach Schnäppchen zu suchen. Genau genommen grenzt das schon an Betrug, denn unter dem Vorwand, tatsächlich etwas kaufen zu wollen, stehlen solche Leute dem Verkäufer Zeit! Das wird nicht mehr lange funktionieren und es wird dazu kommen, was in Amerika bei den Reisebüros schon vor 20 Jahren begonnen hat. Der Interessent bezahlt für die Beratung und wenn er sich zum Kauf entschließt, für das reine Produkt. Da dieses nicht mehr mit Beratungskosten belastet ist, kann es sehr günstig angeboten werden. Fortschritt oder eine bedauerliche Entwicklung? Diese Frage beantwortet jeder mit seinem Einkaufsverhalten selbst!

Ihr
Hans Rudolf Wöhrl

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